01.01.2023: Matsumoto

Erst einmal: Happy New Year an alle! Der Beitrag wurde aktualisiert, Videos jetzt am Schluss mit dabei.

Auch Burg Matsumoto wünscht allen ein gutes 2023!

Silvester

Silvester habe ich zusammen mit Miho gefeiert.

Da wir beide große Fans von Sento (also öffentlichen Bädern) sind, haben wir den Silvesterabend in diesem traditionellen Bad eingeläutet. Das ist noch kein Wellness-Tempel sondern eben ein öffentliches Bad, welches einst das in vielen Häusern noch fehlende Bad ersetzte.
Nach einem solchen hießen Bad ist man tiefenentspannt – man könnte auch sagen rechtsschaffen geschafft.
Aber ein erstes Bier in der Lobby des Sento weckt die Lebensgeister wieder.

Das zweite Bier war hingegen gar nicht so einfach zu finden, denn Silvester ist in Japan keine Partynacht, sondern einfach der Abend vor Neujahr. Und Neujahr verbringt man zu Hause bei der Familie, d.h. an Neujahr (und teils eben auch schon an Silvester) werden die Gehsteige ziemlich hochgeklappt.

Das hier ist eigentlich eine Kneipeneile in Kita-Senju, aber am Silvesterabend waren viele Lokale geschlossen.

Natürlich haben wir trotzdem eine Kneipe gefunden, aber eben nicht eine extra kultige, sondern ein Chain Izakaya mit standardisierter Karte. Aber mich stört das weniger als Miho, denn für mich haben auch solche Franchise-Kneipen noch Erlebniswert.

Das Essen…
…hat mir auch geschmeckt…
…insbesondere diese „russischen“ Takoyaki (Oktopusbällchen). „Russisch“ wie in „russisches Roulette“ – in einem Bällchen ist scharfer Senf drin. Uuuuh, scary! (Die japanische Küche ist köstlich, aber ihre Vorstellungen von „scharfem“ Essen sind extrem gemäßigt).
Für die Second Party sind wir dann von Kita-Senju in ein Izakaya in Ueno umgezogen – von dort kommen wir beide gut nach Hause.

Der Jetlag ist zwar eigentlich vorbei aber das intensive touristische Programm fordert seinen Tribut, schließlich war ich morgens noch in Kusatu in den Bergen gewesen. Um 1 Uhr morgens musste ich die Reißleine ziehen und ins Hotel fahren. Immerhin: zu Silvester fahren die Züge in Tokio durch die Nacht, es gibt nicht das Problem mit der berüchtigten last train. Was meine Aussagen zur Silvesterkultur eigentlich konterkariert. Wahrscheinlich ging in Shibuya der Bär ab – aber eben nicht in Kita-Senju oder Ueno.

Neujahrstag in Tokio

Natürlich bin ich dann kurz vor 8 wieder aufgewacht, war also nix mit ausschlafen. Egal. Dadurch hatte ich aber noch ein bisschen Zeit in Tokio, die ich für Sightseeing nutzen wollte.

Nur was ansehen? Ich hatte die Idee, mir den Koishikawa Korakuen, einen der ältesten Gärten in Tokio anzusehen. Aber der hatte natürlich – wie so ziemlich alles außer Schreinen und Tempeln – an Neujahr zu.

Glücklicherweise war gerade ein UFO ganz in der Nähe gelandet!
OK, kein UFO, nur das Baseballstadium Tokyo Dome. Wobei da auch Konzerte stattfinden und auch schon Security und Logistik für irgendein Event da waren, ich habe aber nicht herausgefunden, wer oder was.

Mit den vielen Schließungen an Neujahr erschien es mir am besten, Orte aufzusuchen, die man schlicht nicht schließen kann.

Wie zum Beispiel Nihonbashi, die „Japan-Brücke“, das historische Zentrum der Shitamachi, die pulsierende „Unterstadt“ des alten Edo. Warum zum Geier die da eine Schnellstraße drüber gebaut haben erschließt sich mir nicht.
Eine echte Bausünde, solche Brückenpfeiler zu verdecken.
Hier findet sich auch der historische Kilometerstein Null, von dem aus alle Entfernungen in Japan berechnet werden. Hier war auch den Anfang des Tokaido, der wichtigste Straße des alten Japan unter den Shogunen, die Tokio entlang der Küste mit Kyoto verband. Nach dem Tokaido ist bis heute auch die wichtigste Shinkansen.Roure benannt.

Dann war es auch Zeit, wieder zum Bahnhof Ueno zurückzukehren, von wo ich nach Matsumoto gefahren bin (s.u.). Dabei geriet ich allerdings in eine Art Rush Hour: die U-Bahn (Ginza Line) füllte sich extrem. Kein Wunder: die fährt nach Asakusa, wo der berühmteste Tempel von Tokio liegt und auch ein wichtiger Schrein. Und eins machen die Japaner an Neujahr in großer Zahl: Hatsumode, den ersten Schreinbesuch des Jahres (und manche gehen stattdessen in einen buddhistischen Tempel).

Matsumoto

Aber gut, ich konnte schon in Ueno wieder aussteigen und dem Gedränge entkommen. Von Ueno nahm ich einen Shinkansen nach Nagano (Olympische Winterspiele 1998) und von dort aus nach Matsumoto. Das war schon ein kleiner logistischer Kraftakt, man fährt dann doch gut 2,5 Stunden. Und ich war schonmal in Matsumoto und komme dort wahrscheinlich auch im August nochmal durch. Also warum jetzt dorthin?

Immerhin gab es auf der Fahrt schöne Ausblicke…
…und leckeres Ekiben (Eki-Bento, am Bahnhof gekauftes Lunchpaket).

Der Grund, nach Matsumoto zu fahren, ist die Burg dort. Das ist die wohl zweitberühmteste Burg in Japan, nach Himeji. Und obwohl Himeji fraglos beeindruckender ist, finde ich Matusmoto-jo eigentlich die schönste Burg Japans. Ich habe immerhin die Mehrzahl der historisch erhaltenen Burgen gesehen und alle jene, die als „National Treasure“ registriert sind.

Das hier ist Matsumoto-jo. Eine der wenigen „schwarzen“ Burgen von Japan und einmalig schön gelegen mit den Bergen als Backdrop.

In den Burggraben sollte man nicht reinfallen. Diese Karpfen sind hungrig – und groß!

Trotzdem, die Burg haben schon 2014 gesehen und diesmal konnte ich auch nicht rein, weil die schon um 15 Uhr geschlossen haben. Also warum?

Jedenfalls nicht für den Hatsumode, den ersten Schreinbesuch. Die Schlangen sind lang!
Wobei da immerhin…
…ein kleines Matsuri ist, eine Kirmes.
Mit allerlei Imbissständen.
Immerhin, so musste ich nicht auf diesen wirklich bizarren Automaten zurückgreifen, der total im Off stand und wo man vorgegarte Fleischgerichte in Restaurant-Qualität kaufen kann. Das war laut Miho eine der Strategien während der Pandemie, wie Restaurants Umsatz machen konnten. Übrigens wurden während der Pandemie auch Lieferdienste wie Uber Eats populär, die vorher keine so große Rolle spielten.

Apropos bizarr:

Ich war auch noch in diesem winzigen Sento. Das ist echt alt, ich schätze aus den 50er Jahren, ist ein reines Männerbad (soweit ich das erkennen konnte) und die Umkleide ist derselbe Raum wie die Lobby bzw. die Kasse. Das ist ein echtes altes Wasch-Sento für die Nachbarschaft. Die haben ziemlich gestaunt, als ein ausländischer Tourist da auftauchte.
So so sieht es da aus.

And now for something completely different:

Was für ein Betrieb hat einen solchen Fuhrpark? Genau, ein ambulanter Pflegedienst. Aber warum sind die an Neujahr alle geparkt? Man sollte meinen, dass Pflege eine Dienstleistung selbst an Neujahr ist.

OK, aber nun im Ernst: warum bin ich ohne Not nach Matsumoto gefahren? Tini hat mir während des Urlaubs diesen Link geschickt: This winter illumination at Matsumoto Castle in Nagano is spectacular.

Und da musste ich dann doch hin, und zwar erst zu einer Zeit mit Tageslicht, für die Fotos am Tag und dann bis 18 Uhr ausharren, wo der Lightup losgeht. Hat es sich gelohnt?

Das könnt Ihr selbst beurteilen, ich finde schon.

Die Beleuchtung bewegt sich natürlich. Videos geben also einen besseren Eindruck:

02.01.2023: Tokio

Heute bin ich erstmals vom Wecker aufgewacht nach knapp acht Stunden Schlaf. Kaum neigt sich der Urlaub dem Ende zu ist auch schon der Jetlag weg – den ich aber tagelang als Hilfe zum Frühaufstehen genutzt habe. Tourismus funktioniert am besten, wenn man zu Öffnungszeit der ersten Sehenswürdigkeit schon vor Ort ist.

Das habe ich heute nicht geschafft, war aber auch nicht notwendig, da ich in Tokio selbst ja nur ein ausgewähltes Programm habe und nicht alle Klassiker abklappern muss. Ursprünglich hatte ich mal geplant, heute ins Nationalmuseum zu gehen, bei nochmaliger Recherche stellte ich dann fest, dass das heute auch noch zu ist. Nicht wegen Neujahr, sondern weil Montag ist! Sei’s drum, dann kommt das am 4. Januar an die Reihe.

Rikugien und Koishikawa Korakuen

Ich habe zwei klassische japanische Gärten besucht, die beide im Norden von Tokio liegen, sogar beide ziemlich genau auf der zwölf-Uhr-Linie wenn man den Kaiserpalast als Mitte von Tokio nimmt (was man handelsüblicherweise tut). Beide gehörten ursprünglich reichen Daimyo, feudalen Fürsten, die unter dem Shogunat immer eine gewisse Zeit in Edo verbringen mussten (der Shogun hatte gerne einen regelmäßigen, strengen Blick auf seine Untergebenen) und dafür Villen und Gärten unterhielten. Nach der Meiji-Restauration und dem Ende des Shogunats (und damit auch dem Ende der Feudalherrschaft) gingen diese Gärten teilweise auf dem Umweg über andere Privatbesitzer letztlich an den Staat und somit sind sie nun öffentliche Parks.

Da ich in beiden direkt hintereinander war bin ich ein wenig durcheinandergekommen, welche Bilder von welchem Garten sind. Sorry an alle Experten für Gartenbau, ich mische das jetzt einfach durch.

Wobei dieses Panorama sicher den Rikugien zeigt…
…denn beim Koishikawa Korakuen hat man gerne mal den Tokyo Dome im Hintergrund.

So ein japanischer Garten ist auch keineswegs für eine Totalperspektive angelegt, sondern immer zum Lustwandeln gemacht, mit hübschen Anblicken, die absichtlich erst hinter einer Biegung kommen oder von einem Hügel zu sehen sind.

Sehr aufmerksam fand ich, dass sie an diesem Fleck einen Reiher festinstalliert hatten. Der bewegte sich während meines gesamten Aufenthalts im Garten keinen Zentimeter weg. Dem gefällt es da auf seinem Stein.

Shibuya

Ok, ok. Wenn sie mich heute ins Museum nicht reinlassen und ich somit keine Highbrow-Kultur inhalieren kann, dann gibt es eben Populärkultur. Nein, nicht das Nerd-Mekka Akihabara, da war ich schon oft und es ist auch nicht mehr das, was es mal war. Stattdessen bin ich nach Shibuya, dem Zentrum des hypermodernen, neongetränkten, ultrakommerziellen Tokio.

So konnte ich immerhin auch noch dem Hachiko hallo sagen, der da immer noch auf sein Herrchen wartet.
Aber was ist das? Warum stehen die da alle Schlange am Hachiko? Machen sie Hatsumode? Ist Hachiko jetzt ein Kami und die Statue sein Schrein? Nicht ganz, die wollen nur alle Fotos mit der berühmten Statue schießen. Wobei der Kulturwissenschaftler in mir das durchaus auch als religiöse Praxis werten würde. So entstehen Pilgerorte.
Natürlich ist in Shibuya da auch die berühmte Kreuzung…
…wo Abertausende täglich bei grün über die Straße gehen. Wobei es heute nachgerade harmlos war mit dem Menschenaufkommen.

Da mein Handy nunmehr wesentlich bessere Videos macht als meine Kamera vor 8,5 Jahren habe ich auch nochmal die Überquerung gefilmt:

Aber eine Neuerung ist mir dann doch gelungen: Ich bin auf das Hochhaus Shibuya Crossing Plaza hoch, was meines Wissens das letzte mal, wo ich da war, noch nicht fertig war. Für die Aussichtsplattform Shibuya Sky habe ich zwar kein Ticket mehr bekommen, aber es gab einen Teil des obersten Stockwerks, wo man umsonst reinkam und durch ein angenehm sauberes Fenster fotografieren:

Hier hat man einen Blick auf die Skyline…
…und natürlich die wuselige Kreuzung werfen…
…von ganz oben.
Wobei die eigentliche Action von Shibuya gar nicht an der Kreuzung ist, sondern in den vielen Nebenstraßen und -gassen mit Unmengen an Geschäften und Restaurants.
In einer solchen fand ich dann auch wieder eine Ramenbar und habe Ramen…
…und Gyoza gegessen. Totale Völlerei, die Nudeln hätten vollkommen gereicht.

Tatsächlich war der Trip nach Shibuya nicht wirklich eine Verlegenheitslösung, ich wollte da tatsächlich hin.

Denn dort gibt es den größten Don Quijote, von den Japanern liebevoll „Donki“ genannt. Dort kämpft man nicht gegen Windmühlen, sondern gegen günstige Preise, denn Donki ist ein Schnäppchen-Kaufhaus.
Dort wollte ich hin, um ein zweites Gepäckstück zum Einchecken günstig zu erstehen…
…denn die Einkäufe und Mitbringsel wollen ja transportiert sein.

Meguro-gawa Minna no Illumination

Dezember/Januar ist letztlich keine schlechte Zeit für einen Trip nach Tokio oder Japan. Das Wetter ist etwas wärmer als in Deutschland, es regnet oder schneit nur wenig, die Luft ist klar und man hat bessere Chancen auf Aufsicht bis zum Fuji – was in den diesigen wärmeren Monaten selten ist.

Aber es gibt natürlich ein ganz grundsätzliches Problem: keine Kirschblüten. Keine Bilder von weiß und rosa behangenen Hainen unter denen Japaner ihre blauen Plastikplanen ausbreiten und Picknick machen. Keine leise rieselnden Blütenblätter die die Vergänglichkeit allen Seins symbolisieren und den Beginn eines neuen Schuljahres markieren.

Das Problem hat eine Lösung, die Meguro-gawa Minna no Illumination. Dabei werden entlang des Meguro-Flusses zwischen den Bahnhöfen Gotanda and Osaki (bei im Süden der Yamanote-Linie) die ohnehin vorhanden Kirschbäume mit rosa LEDs versehen.

Der Effekt kann sich durchaus sehen lassen, finde ich.

Nur fürs Picknick war es dann doch zu kalt.

Morgen geht es noch einmal raus aus Tokio, nach Hakone, von wo ich vielleicht nochmal den Fuji zu sehen bekomme. Das hätte ich eigentlich lieber heute gemacht, aber da war Hakone Ekiden, das ist eine Art Super-Staffel-Marathon, wo zehn Läufer jeweils 20km von Tokio nach Hakone laufen und dann wieder zurück… Da wollte ich dann doch nicht in die Quere kommen.

03.01.2023: Hakone

Letzter Tagesausflug nach Hakone, einem Ausflugsziel südwestlich von Tokio mit Vulkan, heißen Quellen und (manchmal) Blick auf den Fuji. Und historisch ist Hakone immer im Weg, wenn man auf dem Landweg von Edo (Tokio) oder Kamakura (etwas südlich von Tokio, Sitz des ersten Shogunats im Mittelalter) will, denn da sind Berge.

Nach Hakone gelangt man am einfachsten mit der Odakyu-Bahn, das ist nicht Teil der ehemaligen Staatsbahn JR sondern eine private gebaute Linie. Wenn mich nicht alles täuscht wurde sie von einem Kaufhaus-Unternehmen gebaut, damit die Leute nach Shinjuku zum Einkaufen fahren konnten. Die Direktzüge nach Hakone nennen sich „Romancecar“ wobei die weder sonderlich romantisch sind noch übermäßig modern, jedenfalls für japanische Verhältnisse.

Die Bahn bringt einen allerding nur nach Hakone Yumoto, wo dann der Hakone-Circuit beginnt, also die Rundreise mit (in meinem Fall in dieser Reihenfolge) Bus, Schiff, Seilbahn, Cable Car und Schmalspurbahn. Alles ziemlich abenteuerlich aber gut aufeinander eingespielt.

Ein Grund, nach Hakone zu reisen, ist die Hoffnung auf einen guten Blick auf den Fuji-san. Leider hatte ich nicht ganz so viel Glück wie auf dem Takao-san.

Auf dem Hinweg aus dem Zug sah alles noch prima aus…

…aber ich konnte die herannahenden Wolken schon sehen. Daher habe ich den Ablauf meines Ausflug etwas umgestellt und bin vom Bahnhof gleich an den See gefahren, wo man den Fuji-san gut sehen können soll aber die Sicht war auch da schon eingeschränkt. Also kann ich genau so gut die Reihenfolge, wie sie eigentlich vorgesehen war, bloggen.

Vom Bahnhof bin ich mit dem Bus bis zum Amazake-chaya gefahren. Das ist ein traditionelles Teehaus, das auch Amazake (ein fermentiertes, aber alkoholfreies Reisgetränk) serviert.

Sieht von außen so aus.
Drinnen war ich nicht, weil ich Amazake schon kenne und drauf verzichten kann (ist nicht schlecht aber auch nicht toll) und ich außerdem ja zum See weitermarschieren wollte.
Denn direkt am Amazake-chaya ist ein Einstieg in den alten Tokaido, den Hauptweg von Edo nach Kyoto. Hier war ich um meine Wanderschuhe sehr dankbar, denn die dunkel aussehenden Pflastersteine sind feucht und glitschig und die Gefahr, die den Knöchel zu verrenken (oder zu brechen) nicht von der Hand zu weisen.
Man kann auch schon deutlich früher in den Tokaido einstiegen und dann über 5km den Weg wandern. Das war auch mein ursprünglicher Plan, den ich aber gestrichen habe. War auch eine gute Idee: die Strecke geht teilweise steil bergauf, da bin ich so auch schon gut ins Schnaufen gekommen.
Auf dem richtigen Weg!
Zum Beweis ein Blick zurück, ich bin wirklich hochgeklettert. Der alte Tokaido war auch der einzige Teil von Hakone, wo nicht viel los war. Eine Handvoll Wanderer grüßte mit freundlichem Konnichiwa! Anders als die zahlreicheren Touristen auf dem Rest des Hakone Circuit.
Eine Erklärung zum alten Tokaido. Das neuzeitliche Shogunat der Tokugawas ließ letztlich die Version des Tokaido anlegen, die Hakone nicht umging sondern durchlief. Bis heute heißt die moderne Autostraße 732 Tokaido. Und die wesentlich neuere Straße parallel dazu (die den Weg unfairerweise mit Tunneln abkürzt) ist die Nationalstraße 1. Aber der eigentliche Nachfolger des Tokaido ist der Tokaido-Shinkansen, der an der Küste entlangführt und die Strecke mit den schnellesten Zügen in knapp mehr als zwei Stunden schafft – im Vergleich zu 12 Tagen.

Wie gesagt machen die meisten Touris diesen Wanderteil des Circuit nicht und fahren einfach mit dem Bus bis nach Moto-Hakone am Ashi-See. Das hat auch durchaus seinen Grund, denn dort hat man mit Glück Blick auf den Fuji.

Der war aber leider ziemlich von Wolken verhangen.

Weitere Ausblicke:

Wobei der Ashi-See auch ohne Fuji recht hübsch ist.
Die Piraten kommen! Rette sich wer kann!
Aber natürlich ist das nur das Touristenschiff, mit dem man den Ashi-See überquert. Warum sie ihm dieses Design gegeben haben liegt in den Mysterien der Zeit verborgen.
Wer nicht mit dem Piratenschiff fahren will kann wohl auch den Ninjabus nehmen…
…wobei ich eher diesen empfehlen würde. Da besteht die Chance, dass er in einen EVA-Riesenroboter aus der Kultserie Neon Genesis Evangelion transformieren kann.
Auf der anderen Seite des Sees angekommen…
…geht es dann weiter mit der Seilbahn.
Bei der zweiten Seilbahnstation habe ich dann Halt gemacht in Owakudani…
…wo es heftig brodelt, spritzt und nach Schwefel stinkt, als wäre man in Yellowstone. Tatsächlich ist das ganze Hakone-Gebiet ein komplexer Vulkan, dem Yellowstone nicht unähnlich.
Warnungen, wie man sie nicht überall sieht. Selbst die Seilbahngondeln hatten eine Kiste mit Notfallsauerstoff dabei, falls es doch mal zu einem Ausbruch aus Gasaustritt kommt.
Örtliche Spezialität sind hartgekochte Eier, die sich dank des vulkanischen Quellwassers schwarz färben.

Nicht zuletzt aber hat Owakudani eine ganz wichtige Eigenschaft:

Man hat einen wesentlich besseren Blick auf den Fuji-san also vom See aus.
Wobei die Wolken die Freude trotz gedulidgen Wartens immer noch trübten…
Soviel Fuji-san war das höchste der Gefühle.

Danach ging es weiter mit Cable Car und Schmalspurbahn (letztere mit „Switchbacks“ also faktisch Serpentinen wo die Bahn dreimal umdrehte) zurück nach Hakone Yumoto um den Circuit zu beenden. Eigentlich hatte ich dann noch geplant einen Onsen zu besuchen aber es wurde mit langsam zu spät und ich war zu KO für eine weitere Aktion. Die Fahrt nach Shinjuku dauert ohnehin 1,5h und dann nochmal eine gute halbe Stunde bis „nach Hause“ in Nippori.

Dafür war ich dann in Nippori angekommen nochmal kurz auf der anderen Seite der Gleise in Yanaka.

Dort gibt es eine recht bekannte „old school“ Ginza. Eine Ginza ist quasi ein Einkaufszentrum in Form einer Straße, eine sehr traditionelle Form des Einzelhandels in Japan. (Nicht zu verwechseln mit der Ginza nahe des Tokioter Hauptbahnhofs, das ist eine Nobeleinkaufsmeile mit Luxusläden).
Die Yanaka Ginza war aber recht ausgestorben. Wohl eine Mischung aus Neujahr und später Stunde (wobei ich kurz nach 18 Uhr dort war).
Hier gab es sogar ein ganzen Häuschen mit Essensautomaten. Interessant, aber mangels nahe gelegenem Domizil oder einer Picknick-Ecke war das keine echte Option für mich.

Also zurück nach Nippori, zum Abendessen in einem Family Restaurant, Gusto, direkt am Bahnhof. Das Essen ist solide und vor allem ist es schnell und einfach: bestellen per Tablet (auf Englisch), zahlen mit Karte am self-checkout.

Servieren per Roboter. Wobei mein Essen von einer menschlichen Kellnerin geliefert wurde, die fürchteten wohl, ich würde das mit dem Roboter nicht blicken.
Japanischer Hamburger (Hacksteak), dazu zwei frittierte Austern.
Reis mit gehacktem Thunfisch.
Zur Abwechslung auch mal ein Nachtisch.

Morgen letzter voller Tag in Tokio. Zeit all die Dinge abzusehen, die bisher wegen Neujahr geschlossen hatten!

04.01.2023: Tokio

Letzter Tag in Tokio, Zeit die Orte anzusehen, die bisher aufgrund des Neujahrs oder schlechten Timings verschlossen blieben. Heute war ich nur noch mit dem Smartphone unterwegs, dessen Kamera ich auch sonst öfters mal wegen seines größeren Weitwinkels und seiner besseren Aufnahmen bei Dunkelheit eingesetzt habe.

Kaiserpalast Ostkaisergarten / Burg Edo

Der einzige der Öffentlichkeit mehr oder minder permanent zugängliche Teil des Kaiserpalastes ganz in der Mitte von Tokio ist der Ostkaisergarten (und das auch erst seit 1968). Eine bessere Beschreibung wäre aber Burg Edo – denn hier war der Palast der Shogune, die Japan über 250 Jahre lang beherrschten. Allzu viel ist nicht übrig, was aber nicht unbedingt an der Absetzung des Shogunats während der Meiji-Revolution 1867 liegt.

Heute stand das Otemon-Tor offen, pünktlich ab 9 Uhr.

Wie immer bei japanischen Burgen folgt man verschlungenen Wegen durch verschiedene Tore bzw. an verschiedenen Befestigungen vorbei, um ins Innere zu gelangen.

Die Befestigungsmauern wurden teils wieder hergestellt.
Es ist schon erstaunlich, wie stark sich Städte verändern. Wo jetzt diese Hochhäuser stehen war in Edo-Zeit noch ein Teil der Bucht von Tokio. Die ganze Gegend um den heutigen Bahnhof herum war Marschland.
Dies sind nun die Überreste des Donjon, also des großen Turms von Burg Edo. Allerdings wurde der nicht bei der Meiji-Revolution geschleift sondern brannte bereits 1657 ab. Man begann mit dem Wiederaufbau (daher dieser erste Stock) aber beschloss dann, dass sich das nicht lohnte. Japan war befriedet und solche Festungen waren militärisch mittlerweile eher nutzlos. Die Satsuma in Kagoshima – alte Gegner der Tokugawas – kamen übrigens zum selben Schluss.
So ungefähr sah das wohl mal aus.
Auf diesem Areal (man sieht das Fundament des Turms im Hintergrund) stand der Palast des Shoguns, der Wohn- und Regierungssitz zugleich war. Der brannte regelmäßig ab, wurde aber stets wieder aufgebaut, bis zum Feuer von 1863. Auch hier war es also nicht die Meiji-Revolution sondern der große Zerstörer von Japans Baugeschichte: Feuer.
So sah die Palastanlage mal aus.
Übrig ist nur dieser Lagerkeller (in den Hügel reingebaut).
Orginal ist auch noch dieser Wachturm aus der Mitte des 17. Jahrhunderts.

Aber die Anlage heißt nicht umsonst Ostkaisergarten.

…Teehäuser…
…und japanischen Gartenbau.
Auch der kaiserliche Konzertsaal findet sich hier.

Viel los war nicht im Ostkaisergarten. Dies war auch der erste Ort, wo ich definitiv mehr westliche Touristen als Japaner gesehen habe.

Ueno-Park

Im Ueno-Park war ich am Anfang der Reise schonmal aber hier noch ein Nachtrag. Es gab nämlich mal einen Daibutsu, einen großen Buddha in Ueno.

Siehe dieses historische Foto.

Der überstand aber das große Kanto-Erdbeben von 1923 nicht, das Gesicht fiel ab. Der Körper hingegen wurde im zweiten Weltkrieg requiriert für die Rüstungsproduktion. Schade, sonst könnte man sich den Trip nach Kamakura zum dortigen Daibutsu sparen (natürlich nicht wirklich).

Das Gesicht kann man heute noch besichtigen.

Nun hatte ich in einem früheren Post in meiner botanischen Ignoranz eine blühende (und in Tokio weit verbreitete) Pflanze als Pfingstrose bezeichnet, was Quatsch ist. Es ist vielmehr eine Kamelie, wenn die Weisheit von Google Lens nicht täuscht.

Es gibt aber sehr wohl blühende Pfingstrosen in Tokio im Januar, und zwar im Garten beim Toshogu, dem Tokugawa-Schrein. Jede Menge Pfingstrosen! Alle mit einem Häuschen gegen etwaigen Schnee, nehme ich an.

Auch der Zierkohl gedeiht prächtig.
Panorama eines Teils des Gartens, die meisten Pfingstrosen waren in Reih und Glied in Beeten.

Völlig anders als bei Ostkaisergarten war ich im Toshogu-Garten der einizige westliche Besucher. Die meisten waren ältere japanische Herren mit beeindruckender Fotoausrüstung: riesige Mittelformatkameras mit Objektiven groß wie Ofenrohren.

Nationalmuseum Tokio

Zu guter Letzt war ich noch im Nationalmuseum, welches an den Ueno-Park angrenzt. Nun bin ich nicht so der riesige Museumsfan aber nun bin ich schon zum vierten Mal in Tokio, da wird es langsam Zeit. Es ist die älteste solche Institution in Japan und hat auch beeindruckende Exponate.

Das Hauptgebäude vom Ueno-Park aus gesehen.
Tongefäß aus der Jomon-Periode, der japanischen Steinzeit.
Weitere frühe Exponate.

Ich gebe hier einfach mal ein paar Highlights wieder, thematisch geordnet:

Aus irgendeinem Grund fand ich „Die große Welle vor Kanagawa“ nicht, das berühmteste Ukiyo-e. Hätte eigentlich in demselben Saal hängen sollen wie die Bilder oben. Sei’s drum, bei einem Holzschnitt-Druck ist „Original“ eh relativ.

Nach dem Museum war ich ziemlich fertig und beschloss es gut sein zu lassen. Ich war noch in einem Sento, habe noch ein bisschen eingekauft und später war ich noch zum Abendessen in einem Izakaya.

Hier noch ein bisschen food porn:

Morgen heißt es dann zurück zum Flughafen und dann nach Deutschland. Ich melde mich nochmal mit einem Fazit.

Tadaima

(japanisch für „ich bin wieder zu Hause“). Tatsächlich bin ich gestern Abend gegen 23.30 Uhr zu Hause angekommen, nach 14h Flug nach Frankfurt und nochmal 1h nach München. Beim großen Flug sind wird tatsächlich über den Nordpol geflogen, um den russischen Luftraum zum umgehen (auf dem Hinweg haben wir Russland noch südlich umflogen). Das war in der Vergangenheit besser, da war der Rückflug eher 12h.

So in etwa war die Route.

Ansonsten lief eigentlich alles gut, bis auf die Tatsache, dass die Lufthansa in Haneda die Gepäckaufgabe für einen Flug um 12.35 erst um 10.00 Uhr öffnet. Als ich ca. 9.45 vor Ort war hatten sich schon lange Schlangen gebildet, selbst bei der Business Class. Dafür war bei der Security nix los. Mein Gepäck wurde übrigens in beiden Flugrichtungen durchgecheckt bis zum Ziel und kam auch problemlos an.

Jetzt noch ein paar Beobachtungen zu Japan post-Pandemie (ich war das letzte Mal ja 2018/19 zwischen den Jahren dort, in Okinawa).

Es ist schon wieder ziemlich viel los touristisch. In Hakone ging es ziemlich rund, auch in Nikko war einiges los. Allerdings waren es mehrheitlich japanische Touristen, die haben offensichtlich auch einen Nachholbedarf. Doch die Anzahl der westlichen Touristen ist schon sehr merklich und selbst einige Chinesen (mutmaßlich aus Taiwan oder Singapur) waren da.

Masken sind immer noch Alltag, drinnen sowieso aber draußen auch meistens. Man sieht zwar schon die eine oder andere Maske auf „Halbmast“ auch bei Japanern und die Hygienemaßnahmen sind inzwischen mehr Performance als echt effektiv, aber ich bin mal gespannt, wie das im August wird.

Es ist vieles digitaler geworden in Japan. Zumindest bei JR East (der großen Eisenbahngesellschaft, die die Züge im Osten Japans betreibt) kann man Tickets online kaufen und dann am Automaten abholen. Das gilt sogar für Discount-Pässe, die nur Ausländer erwerben können, diese holt man dann an speziellen Automaten mit Passlesegerät(!) ab. Selbst der altehrwürdige Japan Rail Pass (der nicht von JR East vertrieben wird und den ich diesmal nicht hatte) hat mittlerweile die normale Ticketform, so dass man die automatischen Gates nutzen kann.

Auch beim Bezahlen hat sich einiges getan. Kreditkarten und diverse Formen von kontaktlosem Bezahlen sind sehr viel verbreiteter als zuvor. Das Suica/Pasmo System mit den prepaid-Karten sowieso (wobei man damit jetzt auch Eintrittskarten für Museen etc. bezahlen kann), aber auch verschiedene japanische Antworten auf Google/Apple Pay und auch diese Systeme selbst. Nur in kleineren Lokalen oder auch bei meiner Herberge in Kusatsu Onsen galt immer noch „cash only“.

Anscheinend haben sich sogar Lieferdienste fürs Essen etabliert, die gab es vor der Pandemie nur wenig. Ich habe mehrere Male Fahrradkuriere von Uber Eats und anderen Anbietern gesehen. Aber die Lokale sind trotzdem gut gefüllt. Gerade Mittags hatte ich öfter mal die Alternative länger Anstehen oder zum Conbini gehen.

Apropos Conbini (jap. 24-Stunden-Läden): seit neuestem dürfen Plastiktüten in Japan nicht mehr kostenfrei abgegeben werden. Das führt im Laden immer zu der Frage ob man mit dem Aufpreis von 2-5 Yen für eine Tüte einverstanden ist – eine Frage, die man zunächst nicht versteht, da in rapidem Japanisch vorgetragen. Man kann das aber vermeiden, indem man eine Plastiktüte bei sich trägt und bereits an der Kasse sichtbar hält. Etwas ärgerlicher ist, dass diese Regel auch für Stäbchen und Servietten gilt. Die sind zwar immer noch kostenlos aber man muss eben nach ihnen fragen – etwas blöd, wenn man gerade Instant-Ramen erstanden hat und dann feststellen muss, dass man keine Stäbchen dazu hat. Immerhin führt das alles dazu, dass der Plastikmüll- und Verpackungsterror, der in Japan stets apokalyptische Ausmaße hatte, etwas abgenommen hat.

In Restaurants und anderen Lokalen wird nicht mehr geraucht, hurra! Es gibt wohl Regeln für sehr kleine Bars, die das noch erlauben dürfen aber das hat mich nicht betroffen. Da man allerdings auch an vielen Orten nicht draußen rauchen darf ist Japan plötzlich ein relativ Raucher-unfreundlicher Ort geworden. Mir soll es recht sein.

Die ersten Anzeichen von Inflation machen sich bemerkbar. Zwar ist im Alltag das meiste noch sehr viel billiger als in Deutschland (Getränke am Automaten z.B. 100-180 Yen) aber vieles ist dann doch einen Ticken teurer als beim letzten Mal. Der aktuell sehr gute Yen-Kurs (1 Euro=140 Yen) gleicht das für den europäischen Reisenden gut aus. Auch mein sehr angenehmes Hotel mit riesigem Frühstückbuffet hat nur €78 pro Nacht gekostet und war für Tokioter Verhältnisse ziemlich luxuriös. Es wäre auch billiger gegangen.

Der Eisenbahnverkehr ist immer noch zuverlässig und bequem. Allerdings habe ich im Fernverkehr mehrmals Verspätungen von 2-3 Minuten feststellen müssen, ohne dass dies zu wortreichen Entschuldigungen geführt hätte wie früher.

Und zu guter Letzt der Bade-Score: 14 japanische Bäder an 11 Tagen! 4x Onsen, 5x Sento außerhalb der Hotels, 5x Hotel-Sento. Die Dusche auf meinem Zimmer habe ich kein einziges Mal benutzt. Das ist das wahre Leben!

Damit schließe ich den Blog. Vielen Dank fürs Lesen und bis zum nächsten Mal.