06.11.2017

Von unserem Basislager in Tokio sind wir nach Kamakura, südlich von Yokohama gefahren (s. Reiseroute). Das ist eine frühere Hauptstadt Japans aus dem Mittelalter (1185-133), und zwar genau die, welche der erste mittelalterliche Shogun Minamoto no Yoritomo gründete (s. den Beitrag zu Hiraizumi vom Beginn der Reise). Sinn und Zweck war derselbe, der später den neuzeitlichen Shogun Tokugawa Ieyasu dazu veranlasste, die Hauptstadt nach Edo (das heutige Tokio) zu verlegen: weg vom Kaiserhof, Regierung und Kaiserhaus räumlich voneinander trennen.

Heute ist Kamakura vor allem für seine Tempel bekannt, so ähnlich wie Hiraizumi. Die Leute in Hiraizumi behaupten auch, dass ihre Stadt das Vorbild für Kamakura war.

Unseren Ausflug machten wir wohlweislich unter der Woche an einem Montag, denn Kamakura ist ein beliebtes Ziel.

Es war trotzdem reichlich los.

Erstes Ziel war der Tsurugaoka Hachiman-gū, der wichtigste Shinto-Schrein der Stadt.

Auch hier warteten sie wieder, meine alten Feinde: Treppen!

Ebenfalls auf einem Hügel gelegen war der Tōkei-ji, der wichtigste Zen-buddhistische Tempel der Region.

Wenn jetzt einer fragt: Warum sind Tempel und Schreine immer auf Hügeln? Wäre es da eben, würden sie ein Reisfeld hinbauen.
Für einen ach so stoischen Zen-Tempel gibt es eine Menge Schmuck und Blattgold.

Das berühmteste Highlight der Gegend ist der Kōtoku-in mit dem großen Buddha.

Der Buddha ist zwar deutlich kleiner und viel jünger als der riesige Steinbuddha in Datong, China, aber für eine Bronzestatue aus dem 13. Jahrhundert schon richtig beeindruckend.
Auf dem Rücken hat der Buddha Fenster (zur Belüftung?)
Und zwei bequeme Sandalen in passender Größe für den Feierabend.
Ganz in der Nähe liegt der Hase-Dera, ebenfalls eine weitläufige Tempelanlage.
Mit vielen Buddhas(?) in Reih und Glied.

Ganz in der Nähe von Kamakura liegt Enoshima, das ist von Tokio aus eine der nächsten Möglichkeiten, richtig ans Meer zu kommen (Tokio liegt auch an einer Bucht, aber die ist wirklich nicht schön).

Eine Brücke führt auf die Insel…
…die natürlich aus einem Berg mit Schrein besteht. Also Treppen!

Aber es gibt einen Trick: für 360 Yen kann man mit einer Serie von versteckten Rolltreppen ganz nach oben fahren.

So kommt man…
…viel einfacher…
…zu den Sehenswürdigkeiten.
Dies hier ist keine Fernet Brance Werbung sondern die Sea Candle, das Wahrzeichen der Insel ganz oben.
Die Milane fliegen hier zu Dutzenden rum. Hätte Tini einen gegrillten Kalmar gehabt, hätten sie ihn schwupps geklaut.
Und was ist das im Hintergrund? Genau! Der Fuji! Leider war trotz gutem Wetter die Sicht bescheiden.

Letztes Ziel war das Ramen Museum in Yokohama, dort werden die leckeren Nudelgerichte zelebriert. Die Nudelart kommt zwar aus China, doch die Perfektionierung der Suppen und der Toppings ist höchst japanisch.

Das muss man sich wie ein nachgebautes Tokio der 50er-60er Jahre vorstellen mit engen Gassen…
…und jeder Menge Nudellokale.

Logischerweise sind die „Exponate“ hier Ramen aus verschiedenen Regionen in verschiedenen Variationen. Glücklicherweise gibt es auch kleine Portionen, so konnte ich mich durch vier Varianten durchmampfen.

Einmal Tonkotsu-Miso Ramen (Suppe aus ausgekochten Schweineknochen, gewürzt mit Miso). Bei dem Stand (der aus Deutschland stammt!) gibt es sogar glutenfreie Ramen, sehr zu Tinis Freude.
Einmal Shoju-Ramen (Suppe aus Huhn, Schwein und Seetang, gewürzt mit Sojasauce).
Einmal Thunfisch-Tonkotsu (Suppe aus ausgekochten Thunfischknochen, das Topping ist Thunfisch) – höchst selten und ungewöhnlich.
Letztlich Spicy Miso Ramen (Suppe aus Huhn und Schwein, gewürzt mit scharfem, roten Miso, ebenfalls ungewöhnlich).

Nach Hause gekommen sind wir erst spät, die Wege sind weit. Für morgen haben wir keine Auslflugspläne, wir werden einkaufen und uns vielleicht die ein oder andere Ecke in Tokio ansehen.

07.11.2017 Edo-Tokyo Open Air Museum und Nakano

Heute waren wir im Edo-Tokyo Open Air Architectural Museum. Das ist ein Ableger des hervorragenden historischen Edo-Tokyo Museum, der sich mit Architektur beschäftigt, und zwar indem es Gebäude in einem großen Freilichtgelände westlich von Tokio zusammenträgt.

Natürlich gibt es da auch alte Bauernhäuser und Residenzen aus der Edo-Zeit, aber für mich waren die Spuren der Modernisierung interessanter.

Wie zum Beispiel dieses Art Deco Gebäude von 1937, das auch in Miami Beach stehen könnte.
Wie der Name schon sagt ein Photostudio, wo mit Naturlicht Porträts gemacht wurden.
Das Bad ist aber noch ganz „old school“.
Dieses Haus von 1952 sieht von außen noch einigermaßen traditionell aus.
Drinnen hingegen wirkt es…
…deutlich moderner.
Dieses Gebäude wurde für einen Europäer gebaut, aber später kaufte es ein Japaner, der Erfinder des Erfrischungsgetränkes Calpis.
Ganz in der Nähe wohnt diese Dame, ca. 10cm lang.
Das wiederum ist ein Mausoleaum aus dem 17. Jahrhundert für eine Konkubine der Neben-Tokugawa aus Nagoya.
Bis auf die Form der Dachziegel könnte dieses Gebäude auch in den Südstaaten der USA stehen, dabei ist es von 1925!
Auch innen höchst westlich und modern.
Dieses Sento (Bad) aus dem frühen 20. Jahrhundert war angeblich eine Inspiration für das Bad in „Chihiros Reise“.
Diese Dame hat vielleicht nicht bemerkt, dass das Bad stillgelegt ist.
Hier ein ganzer Straßenzug aus derselben Zeit.
Ein eher traditionelles Gebäude, aber außen mit Glas anstatt Papier.
Nach dem Museum sind wir nach Nakano. Dort gibt es den Nakano Broadway, sozusagen das Akihabara des Westens. Also ein Mekka für alle Otaku (Nerds) sei es nun im Manga-, Film-, Eisenbahn- oder sonst einem Bereich.
Hier hat Mandarake, eine Kette von Second Hand Läden für Populärkultur, seinen Hauptsitz. Es gibt gleich mehrere Madarakes: zwei für Manga, einen für Karten, einen für Figuren, einen für Filmplakate, usw.
Hier finden selbst Fans von obskuren deutschen Serien noch Merchandise.
Auf der leider bislang erfolglosen Suche nach Ume-Sirup waren wir auch in der Amüsiergegend nahe des großen Bahnhofs Shinjuku.
Dort gibt es allerlei Versuchungen. Diese hier ist sogar jugendfrei.
Diese letztlich auch. Es ist ein Themen-Restaurant wo die Kellnerinnen als Robotermädchen verkleidet sind.
Das Robot Restaurant. Anders als letztes Jahr im Lockup waren wir da aber nicht drin.

Morgen: Mito und der letzte der drei großen Gärten.

08.11.2017 Mito, Kairakuen

Wir waren in Mito, ca. eine Stunde nordöstlich von Tokio. Das ist die Hauptstadt der Präfektur Ibaraki, allerdings „nur“ mit ca. 270.000 Einwohnern. Der Grund, warum man als Tourist hierher fährt, ist der Kairakuen, der dritte und letzte der drei großen Gärten.

Im Gegensatz zu den anderen beiden großen Gärten, welche die Prinzipien des japanischen Gartenbaus verkörpern, ist Kairakuen berühmt, weil er als erster Garten nicht nur für den Daimyo gebaut wurde, sondern von Anfang an für die Öffentlichkeit zugänglich war. Er wirkt daher auch mehr wie ein westlicher Park als wie ein japanischer Garten. Kirsch- und Pflaumenbäume zwecks Blüte sowie andere typisch japanische Elemente sind natürlich trotzdem da.

Dies ist keineswegs der Karakuen, sondern ein ehemaliges Tretboot auf einem See in einer viel neueren Grünanlage auf dem Weg dorthin.
Auch hier fanden wir Kirschblüten. Das ist aber wohl kein Zeichen der nahenden Apokalypse, sondern eine spezielle Kirschbaumart, die nahezu ganzjährig Blüten trägt („semper florens“).
Wobei die Kirschblüten nicht alleine sind, ich habe aber keine Ahnung was hier blüht.
Hübsches Momoji fanden wir auch.
Dies ist nun tatsächlich Kairakuen, hier ein Stand schöner japanischer Zedern.
Sehr reizvoll fand ich auch dieses Wäldchen, links Zedern rechts Bambus.

Der Erbauer der Kairakuen (ein Daimyo von einer Tokugawa-Nebenfamilie) war ein Reformer. Ganz demokratisch ging es dann trotz allgemeiner Öffnung des Parks doch nicht zu, er baute sich eine private Residenz in den Park.

Dorthin lud er Dichter und andere illustre Gäste ein.
Wenn im Park mal nix zu sehen war, kein Problem, dafür gibt es Wandmalerei.
Und zwar in fast jedem Raum.
Dieser Raum wurde u.a. benutzt um den Mond anzuschauen.

So, damit habe ich jetzt eine Menge von dem gesehen, was Japan dem Touristen zu bieten hat: die drei großen Gärten, die vier wichtigsten historischen Hauptstädte, die fünf berühmtesten Burgen. Fehlen noch die sieben Ringe der Zwerge und die dreißig Kammern der Shaolin.

Außer dem Kairakuen hat Mito noch ein Glockenspiel am Bahnhof zu bieten.
Zum Mittagessen gab es Mapp Doufo, also Tofu in scharfer Chili-Hackfleisch-Bohnensauce mit Szechuanpfeffer. Das ist ein in Japan beliebtes chinesisches Gericht.
Abends waren wir noch in Tokio im Stadtteil Ueno aus. Dort geht es auch unter der Woche ganz schön zu.
Es gab sogar Kneipen mit Freiluftsitzen, bei ca. 15 Grad. Wir waren dann doch lieber drinnen.

In japanischen Kneipen (Izakaya) teilt man sich kleine Portionen verschiedener Speisen, ähnlich wie spanische Tapas.

Eingelegtes Gemüse…
…frittierte Süßkartoffeln…
…Spieße mit knuspriger Hühnerhaut…
…und sogar frittierte Hühnerknorpel. Knurpsig, aber lecker!

Morgen machen wir einen Ausflug auf die Tokio Bay und nach Yokohama.

09.11.2017 Umihotaru und Yokohama

Ein Ausflug zu einer Autobahnraststätte! Natürlich nicht irgendeiner Raststätte, sondern zum Umihotaru, dem Meeresglühwürmchen. Das ist das Konstrukt in der Mitte der Tokio Bay, wo der Tunnel aus der Tokio Bay rauskommt und für die letzten Kilometer zu einer Brücke wird. Wer schonmal über Haneda nach Tokio geflogen ist, hat das Ding schon von oben gesehen.

Von oben muss man sich das so vorstellen…
…und so von der Seite.

Um hin zu kommen nimmt man einen Bus von Kawasaki.

Das ist eine Industriestadt direkt südlich von Tokio.
Hier sieht man, wie es nach dem Tunnel weitergeht.
Und das ist der Ausblick nach Westen. Das weiße „Schild“ markiert den Tunnelbeginn.
Ein Panorama.
Das ist einer der Bohrschilde, mit dem die drei Tunnelröhren gebohrt wurden. 14m Durchmesser.
Ein Blick nach Nordosten, nach Chiba.
Wir waren nicht die einzigen Besucher. Diesen hier haben wir glücklicherweise verpasst.

Danach haben wir uns das Chinatown von Yokohama angesehen, das größte Chinatown in Japan. Es entstand nach der Öffnung Japans für den Seehandel 1854. Heute sind da mehr Läden und Lokale als Bewohner, es ist mehr eine Art kulinarisches Disneyland als ein echtes Einwandererviertel.

Yokohamas Chinatown hat nicht nur ein Tor…
…sondern sieben.
Die Hauptstraße ist prächtig dekoriert.
In den Nebenstraßen…
…geht es teilweise skurril zu.
Auch chinesische Tempel gibt es da.
Bunter und barocker als alles, was man in Japan findet, außer vielleicht in Nikko.
Zu guter Letzt ein Blick auf die Skyline von Yokohama, man beachte die Uhr im Riesenrad…
…und die historischen Lagerhäuser am alten Hafen.

10.11.2017 Kappabashidori und Shibuya

Die Reise nähert sich ihrem Ende. Heute waren wir noch in der Kappabashidori, der Straße wo Tokio Restaurants ihren Bedarf an Geschirr, Geräten und Essensattrappen für die visuelle Darstellung der Speisekarte kaufen. Da gehen zwar auch viele Touristen hin, aber es geht eindeutig um Profibedarf. Ich selbst habe mir eine Takoyaki-Form aus Gußeisen gekauft. Morgen muss ich mein Gepäck sorgfältig wiegen!

Da gibt es Töpfe, Tiegel und Messer…
…Laternen…
..Attrappen z.B. von Eiern und Knoblauch…
…seltsame Mülleimer….
…und angreifende Riesenhirschkäfer!

Abends waren wir dann noch in Shibuya und haben uns mit Regina, einer Freundin von Tini getroffen. Shibuya wird umgebaut, ein neuer Wolkenkratzer steht schon und zwei weitere kommen bis 2027.

Das hier ist die Aussicht vom Shibuya Hikarie, dem aktuell höchsten Gebäude des Stadtteils.

Morgen steht dann der Rückflug an, online eingecheckt sind wir schon. Das ist der einzige Wermutstropfen an einer Japanreise: zweimal 12 Stunden in einer Blechzigarre. Shoganai, wie der Japaner sagt, kann man nix machen.