14. Juni 2022 – Tivoli und andere Traumländer

Mittlerweile geht mir das Wetter einigermaßen auf den Senkel. Im gefühlten 15 Minuten Takt Regen, Wind, Kalt, Warm, Sonne, das bedeutet Jacke aus, Jacke an, Jacke zu, Jacke auf, Kamera raus, Kamera rein, etc. Kurze Regenschauer eigentlich ständig und jeden Tag mindestens einmal ein richtiger Guss. Na gut, ich bin adäquat ausgestattet mit den Klamotten, aber so richtig Entspannung kommt da nicht auf. Sei’s drum.

Heute habe ich drei Orte von Träumen und Sehnsucht aufgesucht. Der erste ist das Restaurant Noma, Gründungsort der New Nordic Cuisine und mehrfach als das beste Restaurant der Welt ausgezeichnet. Zumindest einer der Wettbewerbe hat sie jetzt einfach in eine Hall of Fame eingetragen und lässt sie nicht mehr teilnehmen, damit auch mal andere gewinnen.

Nun hätte ich mir das trotz des hohen Preises (>€200 fürs Menu plus ähnliche Summen für die Weinbegleitung) durchaus mal geleistet. Nur gibt es da drei Probleme: 1.) man muss viele Monate im Voraus reservieren, 2.) als Einzelgast kann man nur auf einen der vier Plätze an einem zusammengewürfelten Gemeinschaftstisch hoffen und 3.) genau in dieser Woche hat das Noma schlicht geschlossen, weil sie von der Winter- auf die Sommersaison umstellen. Problem 3.) vereitelt damit auch alle Hoffnung auf Wartelisten o.ä., insofern kann man nix machen. Leider haben auch die anderen Edelkneipen Kopenhagens monatelange Wartelisten, insofern muss ich den Foodie in mir mit Foodtour und Streetfood versorgen.

Aber fotografieren kann man es ja, zumal das nur ca. 40 Minuten zu Fuß von meiner Ferienwohnung entfernt ist und der Weg durch den schönen Teil von Christiania (s.u.) führt.

Gut, dass ich zu Fuß gekommen bin, denn mein Kajak hätte ich am Noma nicht parken dürfen!
Das Noma baut einen Teil seiner Zutaten selbst an, hier die Gewächshäuser.
Das Gebäude rechts und hinten ist das eigentlich Restaurant. Näher kommt man wegen einer Absperrung aktuell nicht hin.

Nun ist das Noma unmittelbarer Nachbar eines anderen Orts von Traum und Sehnsucht (für andere Leute, nicht mich): die Kommune Christiania, die sich selbst als autonomen Freistaat sieht (die dänische Regierung sieht das etwas anders). Bei Christiania denken jetzt manche wahrscheinlich an Fahrräder oder Drogen – der Verkauf letzterer ist wohl in den letzten Jahren massiv reduziert worden, um die ständigen Probleme mit der Polizei zu reduzieren. Was mir aber nicht klar war: Christiania besteht nicht nur aus einem größeren Gelände im relativ urbanen Stadtteil Christianshavn, sondern auch aus den östlichen Festungsanlagen aus dem 17. Jahrhundert, und das ist ein sehr schönes, grünes Gebiet. Genau dadurch führt mich mein Weg auf dem Marsch zum Noma.

So muss man sich das vorstellen, das linke Ufer sind die alten Wehranlagen.
Auf der Karte sieht man es besser. OpenStreetMap contributors, CC BY-SA 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0, via Wikimedia Commons
Beim Zugang zum Gelände gibt es nur ein paar Hinweisschilder und jemand hat allzu schnellen Radlern ein paar Steine in den Weg gelegt.
Dahinter stehen einige lustige Häuschen im Wald.
Das ist zwar nicht die Villa Kunterbunt…
…aber etwas Pippi Langstrumpf Feeling kommt trotzdem auf.
Natürlich betreiben die Hippies strikte Mülltrennung mit detaillierten Instruktionen.
Auch auf der anderen, nicht zu Christiania gehörenden Seite baut man nah und etwas ungewöhnlich am Wasser.
…und es gibt seltsame Dinge zu sehen.

Den städtischen Teil von Christiania (auf der Karte unten links) fand ich nicht ganz so schön.

Z.B. ist das Gelände von einem Zaun umgeben.
Wobei der Eingang durchaus offen steht.

Drinnen ist es eine Ansammlung von Hütten, umfunktionierten Häusern, Ständen, Kneipen, Werkstätten etc. Im Prinzip das, was das Tollwood auf turbokapitalistische Art und Weise performativ nachzubilden versucht. Hier ein paar Bilder:

Dieses Kunstwerk fand ich sehr launig.

Nach meinem Besuch in Christiania bin ich weiter zum dritten Ort von Träumen und Sehnsucht (diesmal eher von Kindern): Tivoli. Das musste natürlich sein, schließlich habe ich letztes Jahr das ursprüngliche Tivoli in Italien besucht, wo Kaiser Hadrian sich entspannte. Die Version in Dänemark ist demokratischer und besser erhalten – einer der ältesten Theme Parks in der Welt und direkte Inspiration für Disneyland.

Vor Walt Disney war schon Hans Christian Andersen ein Fan, die Statue schaut direkt auf den (alten) Eingang von Tivoli.

Für mich ist das beeindruckendste an Tivoli, wie effizient sie den Platz nutzen. Das ganze Gelände ist kaum größer als ein glorifizierter Häuserblock, aber durch die extrem verwinkelte Anlage hat man den Eindruck, einen wesentlich größeren Freizeitpark zu besuchen. Auch ohne irgendwelche Fahrtgeschäfte zu nutzen haben ich (inkl. Essen und Kaffee) gute drei Stunden dort zugebracht.

Die Fahrgeschäfte haben eher Oktoberfest-Niveau und sind nicht mit Disneyland oder Universal Studios zu vergleichen.

Dafür werden auch moderne Rides an die Old School Ästhetik des Parks angepasst.
Verwinkelte Gassen…
…erschaffen eine Illusion von Größe.
Schön ist auch die Liebe zum Detail. Was ist das schlimmste, was dem modernen Theme Park Besucher passieren kann? Wenn das Smartphone leer ist. Hier kann man kleine Schließfächer mit verschiedenen Ladekabeln anmieten.

Besonders amüsant fand ich, dass Tivoli ganz unapologetisch einem politisch ziemlich unkorrekten Orientalismus frönt. Hier ist die Welt noch in Ordnung: die Türken liegen vor Wien, Fu Man Chu bedroht das British Empire und der Orient ist exotisch und mysteriös. Die Bilder sprechen für sich:

Doch auch Dänemark kommt zum Zuge:

Und ganz alte Freunde aus der Kindheit tauchen auf: Rasmus Klump alias Petzi.

Langsam gehen mir die ganz offensichtlichen Sehenswürdigkeiten aus. Zeit für Museen, evtl. einen Tagesausflug und weniger Offensichtliches. Ich glaube, morgen miete ich mir ein Fahrrad…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert