Am 27.04. geht es los nach Helsinki und von dort mit der Fähre nach Tallinn, Riga, die kurische Nehrung und Vilnius. Frei nach dem Motto: besuchen Sie das Baltikum, solange es noch steht. Nur nicht aus Versehen die russische Grenze überqueren, z.B. nach Kaliningrad / Königsberg!
Die Anreise von München nach Helsinki verlief recht kommod, allerdings bin ich erst abends angekommen und habe da nicht mehr viel gemacht.
Hier schonmal eine Ansicht meines Hotels nahe des Fährhafens.Zu breit für ein gutes Foto, zumal ich mein Ultraweitwinkel nicht mitgeschleift habe. Aber von der Seite ist es eh ansehnlicher.Direkt nebenan das (ehemalige) Zentralgefängnis von Helsinki. Ich wohne quasi auf Riker’s Island!Ein Blick auf die beiden größten Kirchen in der Abenddämmerung. Zu den Kirchen gleich mehr.Mein Zimmer. Geräumig und mit Sofa, aber nur mit einem kleinen Fester.Mein ungewöhnliches Blogging-Setup. Mein kleines Microsoft Surface ist einfach zu rechenschwach für Bildbearbeitung (und ich zu ungeduldig), daher nehme ich meinen Windows-Gaming-Handheld mit einem externen Bildschirm.
Kirchen
Heute ist Sonntag, da geht man in die Kirche! Oder in meinem Fall fotografiert man welche von außen, denn ein Gottesdienst auf finnisch war dann doch nicht auf meiner Prioritätenliste.
Ganz in der Nähe meines Hotels ist die orthodoxe Uspenski-Kathedrale – ursprünglich russisch-orthodox (Finnland gehörte von 1807-1917 zu Russland), mittlerweile aber finnisch-orthodox (gehört zum Patriarchat von Konstantinopel). Innenansichten liefere ich nach, wenn ich drinnen war.
Der Dom zu Helsinki ist eine lutherische Kirche, am zentralen Senatsplatz gelegen und dank eines nachgerüsteten Kreuzes obendrauf einen Ticken höher als die Uspenski-Kathedrale. Klassizistisch und innendrin angeblich sehr minimalistisch, wird auch die Ikea-Kathedrale genannt.
Vorne Zar Alexander, der Helsinki überhaupt erst zur Hauptstadt machte.Wie man sieht, ist der Winter in Helsinki noch nicht lange vorbei…Der Senatsplatz, wo schon Soundcheck für die Party am 1. Mai war.
In einer Kirche war ich dann aber doch drin. Das hier ist mitnichten ein Hügelgrab oder ein römisches Mausoleum…
…sondern die Temppeliaukio-Kirche, ebenfalls lutherisch.Und wie man sieht…..direkt in den Felsen gehauen.
Auch das hier ist mitnichten ein Riesenbottich…
…sondern die sog. Kapelle des Schweigens. Leider nur Mo-Fr geöffnet.Nebendran eine interessant Installation für Kinder.
Tove Jansson und die Mumins
Direkt neben den Uspenski-Kathedrale ist ein kleiner Park, benannt nach Tove Jansson, der Schöpferin der Mumins.
Leider ziemlich enttäuschend, keinerlei Mumins zu sehen. Auch keine kleine Mü……nur diese Dame hat eher große Müh……immerhin gibt es hübsche Blümchen. Einen Grund für die Benenung des Parks gibt es dennoch: in dem rosa Haus direkt gegenüber wohnte Tove Jansson. Aber was ist mit den Mumins passiert?Wurden sie gar zu Fleisch verarbeitet? Ich finde diese Werbung arg mißverständlich.Nein, man findet sie in speziellen Läden……wie diesem hier.
Weitere Wahrzeichen und Sehenswürdigkeiten
Die Esplanadi ist die Flaniermeile (naja, eher Viertelmeile) von Helsinki, wobei nur die Fassaden auf der Nordseite prächtig sind, die Südseite kriegt eh keine Sonne.
Hätten die Bäume schon ausgeschlagen, wäre es sicher schicker.Man sieht es hier nicht, aber diese Statue (von einem Dichter) kriegt keinerlei Respekt von den Möwen. Nur ihre Hinterlassenschaften auf den Kopf.
Der Hauptbahnhof von Helsinki ist recht beeindruckend, die Architektur irgendwo zwischen Jugendstil und Gotham City.
Die vier Herren links und rechts mit den Laternen werden geschmückt, wenn hoher Besuch in der Stadt ist…Zum Beispiel die Rockband KISS.Hier das finnische Nationaltheater – Finnisch wurde erst 1902 Amtssprache in Finnland, und auch erst um die Zeit ging es richtig los mit Theater und Literatur, die nicht auf Schwedisch waren.Das finnische Parlament, eher einfallslos klassizistisch……aber direkt gegenüber ist die ziemlich neue Zentralbibliothek Oodi. Die ist nicht nur architektonisch interessant, sondern hat auch alles, was eine echte Bibliothek braucht:Bücher……Leseplätze……Brettspiele……3D-Drucker……und kleine Helferlein, die die Bücher transportieren.Direkt gegenüber die Schmalseite des Museums für zeitgenössische Kunst Kiasma……und eine seltsame Skulptur.Diese Skulptur ist noch seltsamer. Das Silbelius-Denkmal ist dem finnischen Komponisten Jean Sibelius gewidmet. Nur ist der gesamte, sehr große Park drum rum wegen Renovierung geschlossen und umzäunt. Das Guerillafoto entstand durch ein Loch im Zaun mit Tele.
Der Hafen
Helsinki ist von Wasser umgeben und hat mehrere Häfen, dies hier ist der zentralste davon.
Das breit Gebäude ist die Markthalle……es gibt auch ein Freibad(!) mit Meerwasser und natürlich Sauna (die schwarzen Häuschen)…traditionelle Wasserfahrzeuge……und natürlich wird Helsinki auch von Kreuzfahrern heimgesucht.
Mittlerweile ist Sonntagabend, die Gehsteige sind ziemlich hochgeklappt und selbst die meisten Restaurants haben zu – die kulinarische Berichterstattung muss noch warten. Aber angeblich schwooft hier am 30.April und vor allem am 1. Mai der Bär – die Finnen nehmen den Maifeiertag anscheinend sehr ernst!
Ich habe mich auch den örtlichen Gepflogenheiten angepasst und war in der Sauna. Davon gibt es Unmengen in Finnland, sogar das Riesenrad am Hafen hat zwei Kabinen, die als Sauna genutzt werden. So ganz mein Ding ist es nicht, ich bevorzuge heißes Thermalwasser, aber when in Helsinki…
Mein Weg führte heute nach Suomenlinna. Das ist eine auf mehreren vorgelagerten Inseln installierte Festungsanlage, die man früher einigermaßen großspurig das „Gibraltar des Nordens“ nannte, wegen der angeblichen Uneinnehmbarkeit. Nun ja, während Gibraltar immer noch zum Vereinigten Königreich gehört, wechselte Suomenlinna mehrfach den Besitzer.
Ursprünglich von Schweden im 18. Jahrhundert als Sveaborg erbaut (finanziert nicht zuletzt durch Frankreich, die Russland damals ausbremsen wollten) griff Russland 1808 Schweden an und eroberte dabei Finnland inkl. Sveaborg. Der damalige Kommandant gab die Festung nach nur leichtem Bombardement auf, da er die Lage als aussichtslos sah – er galt dafür lange Zeit als übler Verräter, aber die Russen saßen einfach am längeren Hebel. Schließlich hatten sie damals die Unterstützung Frankreichs unter Napoleon. Bündnispolitik ist halt manchmal etwas unberechenbar.
Die schlimmste Niederlage erlitt Sveaborg dann im Krimkrieg 1855, der sich auch auf die weit entfernte Ostsee auswirkte. England und Frankreich, damals verbündet gegen Russland, schickten eine (hauptsächlich englische) Flotte nach Sveaborg und bombardierten die Festung übelst. An Gegenwehr war nicht zu denken, die britischen Kanonen hatte viel größere Reichweite. Russland hatte die Festung nicht mehr modernisiert. Zum Glück für die Zivilbevölkerung von Helsinki zog die britische Flotte dann wieder ab, sie hatten kein Interesse an der Einnahme der Stadt.
1917 wurde Finnland dann im Zusammenhang mit der russischen Revolution unabhängig und 1918 zog die russische Garnison ab. Die neue finnische Regierung benannte die Festung um in Suomenlinna und benutzte sie dann gleich mal als Internierungslager für besiegte Gegner aus dem eigenen Bürgerkrieg, was wegen der katastrophalen Versorgung viele von denen das Leben kostete.
Die militärische Bedeutung solcher Festung schwand ohnehin. Im Krieg mit der Sowjetunion gab es hier noch eine Flugzeugfabrik und später baute man Schiffe als Reparationsleistung für die Sowjets aber 1973 gab das Verteidigungsministerium die Festung auf und schenkte sie dem Bildungsministerium. Mittlerweile gehört die Anlage zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ok, genug Geschichte, wie sieht es da aus?
Die Anreise erfolgt natürlich mit dem Schiff.
Panorama von Helsinki von der Fähre.Hier kommt man vorbei……und hier.Mit so einem Pott reise ich in ein paar Tagen nach Tallinn weiter.Hier kommt man dann von der Fähre aus rein.Die Festungskirche, die pragmatischerweise oben auch als Leuchtturm dient.Die Kirche wurde von russisch-orthodox nach lutherisch konvertiert, nachdem Finnland die Festung übernahm. Der Zaun drum rum: Kanonen zu Zaunlatten!
Viele der Zivilgebäude, gerade auch die ansehnlichsten, stammen allerdings aus russischer Zeit:
So auch dieser Park……wobei der Teich ursprünglich als Burggraben gedacht war.
Ein nicht unerheblicher Teil der Anlage diente und dient als Weft, wobei da heute nur noch die älteren Holzschiffe aus Helsinki gewartet und repariert werden:
Um das Zentrum der Anlage ist eine ziemlich trutzige Mauer errichtet, wobei beschädigte Teile davon meist nicht mehr repariert wurden, denn bald wurden Steinmauern von Sandwehren als effektivere Verteidigung abgelöst:
Hier ein Stück Mauer……ziemlich dick, wie der Durchgang zeigt……mit Platz für Kasematten.
Im Inneren dieser Mauer ist dann das Zentrum der Festung:
Das Haus des Majors, das älteste erhaltene Wohngebäude……das Haus des Kommandanten, von dem nach der Bombardierung von 1855 nur die Hälfte übrig blieb……Mörser russischer Bauart……und dem Grabmal von Admiral Ehrensvard, dem schwedischen Erbauer und ersten Kommandanten der Festung.
Wer hätte gedacht, dass die alten Schweden sich so mit den Spartanern identifizierten? Aber immerhin: die Perser haben Sveaborg niemals eingenommen. Niemals.
Die modernsten Verteidigungsanlagen sind auf der südlichsten Insel, geschützt durch damals moderne Sandwehre, die Artilleriefeuer quasi „schlucken“ konnten.
Diese Kanonen hatten dann schon eine Reichweite von 10 Kilometern.Bester Meerblick……und der kleinste Strand Helsinkis. Man beachte den vorschriftsmäßigen Rettungsring.
Was einem aber alle Audioguides und Infotafeln verschweigen ist, wer hier eigentlich die harte Garnisonsarbeit machte:
Es waren die Seehobbits in ihren grimmigen Wehrhöhlen!…und ihren gut getarnten Dörfern! (In Wirklichkeit sind das wohl alles Munitionslager).
Aber auch auf dieser Insel mit den Sandwehren gibt es natürlich Festungsanlagen aus Stein.
Nicht zuletzt dieses eher repräsentative „Königstor“ von innen……und von außen.
Nach der Besichtigung der doch recht weitläufigen Anlage war ich fix und fertig und bin zurück nach Helsinki gefahren.
Zeit für Lunch, z.T. in dieser Markthalle am Hafen.Kanapees mit Lachs und Krabben auf Roggenbrot……Krapfen mit Fleischfüllung……und frittierte Muikku (Kleine Maräne), winzige Fischlein, die man im Ganzen isst.
Heute war bestes Wetter – immer noch kühl, aber schön sonnig. Also auf in die Natur! Oder, wie ich es bevorzuge, in ein Stück wohlerschlossene Natur mit integrierter Kulturgeschichte. Auf der Insel Seurasaari haben die Finnen alte Häuser aus dem ganzen Land, vor allem aus dem 18. und 19. Jahrhundert gesammelt. Das Ganze ist ein Freilichtmuseum, allerdings ist es als Museum (mit Begehung der Häuser) nur Juni-August geöffnet. Doch die Insel selbst und auch das Areal mit den Häusern ist ganzjährig zugänglich. Man kommt da mit dem ÖPNV hin und geht dann über eine Brücke.
Das ist noch nicht das Museum: ich bin etwas ungewöhnlich mit der Stra0enbahn gekommen und dann noch ca. 700 Meter marschiert, vorbei an diesen Häusern……und diesen Schrebergärten. Ganz ohne Koloniehäuschen – ist halt doch nicht Dänemark.Das ist jetzt aber die Brücke……nach Seurasaari.Dieses Haus (man sieht es oben schon) ist nicht Teil des Freilichtmuseums. In den 1890ern war Seurasaari so eine Art Freizeitpark für die Arbeiterklasse, und dieses Haus stammt noch aus der Zeit. Der Stil ist eher einem schwedischen nachempfunden.
Vom selben Architekten und aus derselben Zeit stammt auch das Restaurant:
Hier nun aber Eindrücke aus dem Freilichtmuseum. Eine Kirche, Lagerhäuser, Katen, Schuppen, herrschaftliche Anwesen, alles da:
Das hier gehörte sogar einer russischen Prinzessen. Ihr Koloniehäuschen?Das ist nicht die dazugehörige Kapelle, sondern ein Stall.Dies hier ist ein modernes finnisches Klohäuschen, wie sie auch in Helsinki stehen. Topmodern, blitzsauber, barrierefrei und voller High-Tech, alles wird mit Knöpfen bedient. Würde in Deutschland nach spätestens 6 Monaten mangels Wartung versagen, hier ist das anders.Und hier der Grund, warum Finnland keine Superhelden hat. Das ist eine Telefonzelle. Wie soll sich Superman denn darin umziehen?Bären gibt es dafür reichlich. Doch an diesen Lagerschuppen kommen sie nicht ran. Die Vielfraße auch nicht.
Hier noch ein paar Eindrücke von der sehr hübschen Natur, wobei die Laubbäume halt noch kahl sind:
Und zum Schluss ein bisschen Food Porn:
Finnische Lachssuppe mit SchwarzbrotRentier mit Preißelbeeren und KartoffelbreiKarelische Piroggen, mit Milchreis gefüllt und mit Eierbutter getopptGanz und gar nicht finnische Tonkotsu Ramen