03.05.2024 – Altstadt von Tallinn

Die Esten haben es nicht einfach, historisch gesehen. Sie wurden über die Jahrhunderte von so ziemlich jeder Macht kolonisiert, erobert oder besetzt: Dänemark, der Schwertbrüderorden, die Hanse, Schweden, Russland, die Sowjetunion, Nazi-Deutschland und wieder die Sowjetunion bis zu aktuellen Unabhängigkeit 1991.

Und von 1458-1467 Drittes Zeitalter auch noch von Sauron und den Nazguls. Derer Grausamkeiten wird mit dieser Nazgul-Statue (Baujahr 2018) gedacht.

Aber im Ernst, ist halt ein wirklich kleines Land mit wenig Leuten (ca. 1,3 Millionen) an einer verkehrsgünstigen Stelle – da kann man nur schwer in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Mit EU und NATO ist Estland wahrscheinlich aktuell in der stärksten Position, in der es je war.

Umso erstaunlicher, dass Tallinn (kommt von „Dänenstadt“) eine der am besten erhaltenen mittelalterlichen Altstädte Europas hat, die völlig zu Recht UNESCO-Weltkulturerbe ist. Und für eine mittelalterliche Stadt ist diese Altstadt enorm groß, Tallinn alias Reval war lange Zeit eine extrem wichtige Handelsstadt. Eigentlich zwei Städte: auf dem höher gelegenen Domberg waren die Adeligen, Kreuzritter, etc. unterwegs, die Unterstadt wurde von der Hanse gegründet – das waren auch rechtlich ganz lange zwei unabhängige Kommunen, obwohl natürlich direkt nebeneinander gelegen.

Hier einfach mal Eindrücke mit gelegentlichen Kommentaren in der Bildunterschrift.

Die Altstadt ist wirklich beeindruckend, wobei nur wenige Gebäude wirklich aus dem Mittelalter (dann meist frühes 15. Jahrhundert) stammen. Aber es ist die Gesamtanlage, die den Eindruck macht, weitgehend von Mauer umgehen, verwinkelte Gassen, usw.

Die Führerin meine Walking Tour erzählte dann auch noch von dem sehr schwierigen Verhältnis der estnisch sprechenden Esten mit den russisch sprechenden Esten (und russisch sprechenden Russen), die 30% der Bevölkerung ausmachen (und in Tallinn 40%). Mit Integration ist da nicht viel, die Sprachbarriere wird nur höher, weil die jungen ethnischen Esten kein Russische mehr lernen und die ethnischen Russen kein estnisch. Eigentlich möchte die Regierung estnisch zur verpflichtenden Unterrichtssprache für alle machen, aber das scheitert schon am Mangel an Estnisch-Lehrern. Interessanterweise meinte die Führerin, dass die Ukraine-Invasion zu einer Annäherung der jungen Generationen führte, denn die jungen russischsprachigen Esten sind wohl auch gegen diesen Krieg, während viele ältere russischsprachige Esten (und Russen in Estland) sich eher zu Putin orientieren.

Hier noch ein bisschen Food Porn, diesmal war ich einem etwas anspruchsvolleren Restaurant, denn in Estland ist das deutlich bezahlbarer als in Finnland:

Morgen: Tagestour zum Nationalpark Lahemaa

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