Weiterfahrt in den Norden
Von Ichinoseki ging es weiter mit dem Shinkansen nach Aomori, mit einmal umsteigen in Morioka.

Vor einiger Zeit erklärte die New York Times Morioka zur sehenswertesten Stadt Japans, basierend auf dem Urteil eines ihrer Reisereporter, der wohl eine sehr schöne Zeit in Morioka erlebt hat. Durch Japan ging ein lautes „Hääähh?!?“, dem ich mich anschließen darf. Nichts gegen Morioka, aber es ist halt hauptsächlich ein günstig gelegener Verkehrsknotenpunkt in Tohoku. Hier halten alle Shinkansen, man kann Mietautos mieten und abgeben und es gibt sicher auch schöne Dinge zu sehen, aber die sehenswerteste Stadt Japans? Sicher nicht.
Aber den Bahnhof von Morioka kann ich nur empfehlen.


Außerdem, und das 2017 sehr wichtig, gibt es am Bahnhof Morioka ausreichend große Schließfächer, die andernorts gerne Mangelware sind. Insofern: Morioka ist eine Durchreise immer wert!
Aomori
Aomori ist die nördlichste größere Stadt der japanischen Hauptinsel Honshu. Von hier fuhren früher die Eisenbahnfähren nach Hokkaido, bevor sie vom Seikan-Tunnel ersetzt wurden. Die Stadt liegt auch ca. 700km nördlich von Tokio. Insofern überrascht es nicht, dass es hier deutlich kälter und winterlicher ist. Allerdings konnte ich den Fluch von 2017, wo ich Aomori nur im strömenden Regen erlebte, nicht ganz abschütteln. Es regnete zwar nicht, dafür schneite es ordentlich und hatte das wohl in den vergangenen Wochen schon reichlich getan!






Macht aber nix. Ich war ohnehin primär für ein Museum nach Aomori gekommen. Zunächst mal verbrachte ich die Nacht im Dormy Inn Aomori, einem Business Hotel mit einem aus natürlichem Thermalwasser gespeisten Onsen.


Das Bad ist für ein Business Hotel auf jeden Fall super. Vor allem aber hatte ich nach „Bad mit Blick auf den Fuji“ und „Bad mit Blick aufs Meer“ noch ein drittes Badeerlebnis: „Bad, bei dem Schnee auf den Kopf fällt“. Denn natürlich nutzte ich auch das Außenbad und dabei schneite es. Ein schönes Gefühl, im Schneetreiben zu sitzen und dabei trotzdem mollig warm zu bleiben!
Abendessen gab es beim Uotami-Izakaya:





Lobend sei auch das Frühstückbuffet der Dormy Inn erwähnt, mit regionalen Spezialitäten und sogar Thunfisch und Jakobsmuscheln als Topping für Reis!


Nebuta Museum
Nun war ich aber nicht zum Baden nach Aomori gefahren. Und auch andere Sehenswürdigkeiten, die es durchaus gibt, waren entweder noch wegen Neujahr geschlossen oder wegen Schnees zu Fuß kaum erreichbar. Macht aber nichts: der eigentliche Grund für meinen Abstecher nach Aomori war spezifisch das Nebuta Museum, und das war sowohl überdacht als auch geöffnet (am 2. Januar). Außerdem ist es praktischerweise unmittelbar am Bahnhof gelegen.

Beim Nebuta Museum geht es um das Nebuta Fest. Nun könnte man meinen, ein Schneeloch wie Aomori braucht ein großes Fest am Ende des Winters, um die bösen Wintergeister auszutreiben. Mitnichten! Das Nebuta Fest wird im Sommer gefeiert, um die Geister der Sommermüdigkeit auszutreiben und die Menschen für die Erntezeit zu motivieren. Natürlich würde ich das Nebuta Fest auch gerne mal live sehen aber zu der Zeit dürften Hotelzimmer kaum zu bekommen sein. Vielleicht versuche ich es mal mit einer Reise nach Hokkaido zu kombinieren, denn wenn ich nochmal im August nach Japan reise, dann nur in den Norden!

Das Nebuta Fest ist für seine riesigen und irrwitzig aufwändig gestalteten Umzugswagen berühmt. Diese werden von 30 Mann getragen und beinhalten einen Generator, denn die Szenen sind aus Papier und Draht gestaltet und von innen heraus beleuchtet. Vor dem zweiten Weltkrieg nahm man Kerzen, danach Glühbirnen und heute LEDs. Die Umzugswagen des Kölner Karnevals sind zwar ähnlich groß, aber die Aufwändigkeit der Nebuta-Wagen ist einzigartig, bzw. nur andere, ähnliche Festivals in der Region können da mithalten.
Jedes Jahr kommen 22 neue Wagen ins Spiel. Es braucht ein Jahr Arbeit, ca. €50.000 Kosten und einen spezialisierten Künstler um so einen Wagen zu bauen – ein teures Hobby! Nach dem Fest werden die Wagen vernichtet – bis auf die vier besten, die im Nebuta Museum zusammen mit kleineren Beispielen dieser speziellen Kunstform ausgestellt werden. Man sieht also jedes Jahr was anderes!
Warum also schwärme ich so von diesen Umzugswagen? Seht selbst!









Falls jetzt jemand sagt, das sind doch mehr als vier: die Dinger haben zwei Seiten mit unterschiedlichen Motiven!


Hier sieht man ein bisschen, wie die einzelnen Elemente gestaltet sind, wie gesagt aus Papier, Draht, LEDs und Holz:





Die Werke vergangener Jahre (und verstorbener Künstler) werden nur in Teilen aufbewahrt, z.B. die Köpfe von Figuren:



















Es gab dann auch noch eine Show mit Musik, Trommel und Tanz vom eigentlichen Fest.


Es gibt nur wenige Museen, für die es wert ist, eine etwas entlegene Stadt zu bereisen, aber dieses gehört für mich dazu.
Das Nebuta-Fest ist übrigens nicht die einzige ungewöhnliche Kunstaktion in der Region. Man sehe nur dieses Poster:

Rückreise nach Tokio
Bei der Rückreise genoss ich Japan in vollen Zügen. Buchstäblich. Es war nämlich extrem schwierig, überhaupt irgendeinen Platz für die Rückreise nach Tokio zu bekommen, weil bereits ab 2.1. viele nach Neujahr wieder zurück in die Stadt wollen bzw. müssen. 13:32 ab Shin-Aomori (das ist der Shinkansen-Bahnhof der Stadt) war die einzige(!) Möglichkeit.
Aber kein Problem, dachte ich, der Bahnhof Aomori ist gleich beim Museum und bis Shin-Aomori dauert es nur knapp zehn Minuten.

Dann aber ging der Ärger los: wegen Schnee käme es auf der Lokalstrecke Aomori nach Shin-Aomori zu Verspätungen und Unregelmäßigkeiten im Ablauf. Wahrscheinlich nur wenige Minuten, aber wer weiß, und ich wollte wegen der angespannten Platzsituation kein Risiko eingehen.
Also habe ich ein Taxi genommen. Normalerweise eine Fahrt von weniger als 15 Minuten. So wie es war, habe ich gerade noch meinen Zug bekommen, denn es war so heftig verschneit auf den Straßen, dass der Verkehr nur extrem langsam vorankam und teilweise fürchtete ich echt, dass wir zwischen den Eishügeln auf der Fahrbahn stecken bleiben. Aber der Taxifahrer war ein alter Profi und hat das mit Bravour gemeistert. Drei Stunden nach Abfahrt war ich dann auch in Omiya (mein Shinkansen-Halt bei Tokio) und eine halbe Stunde später in Ikebukuro. Und in Tokio ist es wirklich warm im Vergleich zu Aomori und Schnee gibt es keinen.