27.12.2024 – Der Berg Ruft

Wenn man ein Zimmer mit Blick auf den Fuji hat, hört man den Berg sehr laut rufen. OK, eigentlich konnte ich ihn schon lange aus Deutschland hören. Glücklicherweise habe ich keine Ambitionen, auf den Gipfel zu steigen, das geht ohnehin nur im August. Vielmehr zieht es mich an den Kawaguchi-See (auf japanisch Kawaguchiko), nördlich des Bergs. Das ist nämlich eine der besten Gegenden, um den Mt. Fuji in seiner ganzen Pracht zu betrachten.

Das Problem ist dabei die Logistik. Natürlich kommt man mit dem Zug nach Kawaguchiko, aber so ganz einfach ist das nicht. Denn JR fährt eigentlich nur bis Otsuki und dann muss man in eine Bummelbahn einer anderen Gesellschaft umsteigen. Es gibt auch ein paar JR-Züge, die bis nach Kawaguchiko durchfahren, aber die sind selten, die Reservierungen knapp und mein aktueller JR Pass gilt nur bis Otsuki.

Vor allem stellt sich dann aber die Frage: wie kommt man vor Ort durch die Gegend? Denn die beliebten Orte sind alle einige Kilometer voneinander entfernt und der öffentliche Nahverkehr rund um den Kawaguchi-See ist zwar vorhanden, aber zeitaufwändig und gerne auch schnell überfüllt.

Meine Lösung: ich bin mit dem Zug nach Otsuki gefahren und habe mir dort ein Mietauto genommen. Das hat mich <€80,- gekostet und hat das Logistik-Problem weitgehend gelöst.

Arakurayama Sengen Park / Chureito Pagode

Allerdings auch nur weitgehend. Denn die Transport-Logistik lag leider ein bisschen überkreuz mit den fotografischen Anforderungen. Letztlich lief es fast immer darauf hinaus, dass ich zur falschen Zeit am richtigen Ort war und entsprechend mit heftigem Gegenlicht zu kämpfen hatte.

So war mir klar, dass ich gleich als erstes zur Chureito-Pagode fahren musste. Das ist der mutmaßlich beliebteste Fuji-Fotopoint (buchstäblich!) der Gegend und zieht entsprechend die Touristen an. Ich war schon um 9.15 Uhr vor Ort und konnte gerade noch einen Parkplatz ergattern. Wäre ich später gekommen, hätte ich keinen Parkplatz bekommen und hätte wohl drauf verzichten müssen. Aber durch die Anordnung von Pagode und Berg hatte ich eben Gegenlicht. Und leer war es auch nicht gerade.

Über die Köpfe der anderen Touristen hinweg gelang mir dieses Foto.

Wie man sieht, war es nicht wolkenlos, aber immerhin konnte man den Fuji deutlich sehen, das ist längst nicht immer der Fall. Die Wolken sind übrigens tückisch. Die bewegen sich recht flott, man denkt immer, kein Problem, wenn ich ein paar Minuten warte, sind sie weg. Nur funktioniert das nicht recht, denn sie bleiben am Gipfel immer so lange hängen, bis die nächsten nachgekommen sind. Erst am Nachmittag wurde es klarer um den Gipfel.

Pagode ohne Fuji aus der anderen Richtung.

Nun ist die Chureito Pagode bzw. der Blick auf den Fuji mit ihr im Vordergrund eins der berüchtigtsten Instagram-Motive. Aber a) ist das nun mal wirklich ein tolles Motiv und b) ist das tatsächlich ein Ort, der dafür gedacht ist, dass man da hingeht und Fotos schießt.

Das noch viel berüchtigtere Motiv mit dem Lawson-Conbini, aus dessen Dach scheinbar der Fuji ragt, habe ich mir gespart. Das gilt eins der abschreckenden Beispiele für Massentourismus, weil die Leute die Straße blockieren und sich und andere gefährden. Außerdem ist das beim Bahnhof, wo ich gar nicht war und sicher keinen Parkplatz gefunden hätte.

Um die absoluten Top-Fotos zu schießen müsste man wahrscheinlich im Winter eine Woche vor Ort wohnen, mit Mietwagen. Dann könnte man einen Tag ohne Wolken abpassen, ganz in der Herrgottsfrühe losziehen und dann ohne große Menschenmengen und ohne Gegenlicht Fotos schießen. Das war mir dann doch ein wenig zu aufwändig.

Oishi-Park

Das ist der geographisch sinnvoll am nächsten gelegene Stopp, ein Park am Nordufer des Sees mit freiem Blick auf See und Fuji. Nur ist man bei meiner Reiseroute dann gegen 11 Uhr dort. Die Sonne steht also im Süden. Man selbst ist am Nordufer des Sees. Das Resultat: Gegenlicht, aber was hilft’s?

Fujisan Deck

Diesen Ort hatte ich mir auf Google Maps recherchiert und lag damit goldrichtig. Zwar ist es am Südufer des Sees (man hat also nicht den hübschen See im Vordergrund) und er ist kostenpflichtig (500 Yen, ein Witz) aber dafür hat man einen schönen, ungehinderten Blick und es gibt ein angenehmes Café, wo man abwarten kann, ob sich die Wolken nicht doch noch verziehen. Dazu Unmengen von kostenlosen Parkplätzen.

Das Aussichtsdeck
Es gibt auch verschiedene Props für die Instagrammer und Selfie-Fotografen, z.B. auch eine Tür mit Perspektive auf den Fuji, etc.
Kaffee und Matacha-Parfait im Café oben. Sehr gut, der „Keks“ im Parfait ist allerdings ein Senbe, ein salziger Reiscracker.

Und siehe da: mit etwas Geduld gab es auf einmal Momente mit freiem Blick auf den Gipfel. Die Schneekrone des Fuji ist allerdings bislang eher ein bisschen mikrig, bis Ende November war gar nichts.

Selbst das Handyfoto aus dem Café durch die Scheiben ist gar nicht so schlecht.

Fuji Yurari Hot Spring

In den meisten japanischen Bäder gibt es an der Wand ein Bild (gerne ein Mosaik) vom Fuji-san. Nun war es schon lange mein Plan, einen Onsen mit Blick auf den echten Fuji aufzusuchen, und diesen Wunsch habe ich mir nunmehr erfüllt.

Wie immer darf man in den Bädern nicht fotografieren (ein chinesischer Depp hatte trotzdem sein Smartphone in der Hand und schoss Fotos), also habe ich ein Foto aus dem Netz geklaut.

Da hat zwar jemand intensiv mit Photoshop gespielt, aber so sieht es da durchaus aus.

Ein Labsal für die Seele – und ein weiterer Haken auf meiner Bucket List.

Oshino Hakkai

Letzter Stopp auf meinen Tagesausflug war Oshino Hakkai. Das ist ein Ort östlich des Fuji mit acht natürlichen Quellen. Das wäre sowohl landschaftlich als auch architektonisch schön, mit kleinen traditionellen Häuschen… nur steht es wohl auf der Liste sämtlicher Busausflüge und es ging zu wie im Taubenschlag. Und ach ja: östlich des Fuji, am Nachmittag gegen 15 Uhr gibt es … Trommelwirbel … Gegenlicht! Und zwar massives. Aber das hat auch seine fotografischen Reize.

Warum malen Kinder die Sonne gerne mit Strahlen? Weil sie offensichtlich eine hohe Blende bei Gegenlicht einstellen!

Die Gegend rund um Kawaguchiko klagt ja schon seit längerem über Übertourismus. Ich hätte da ein paar Ratschläge: fangt mal mit den Parkgebühren an. Saftige Parkgebühren würden schon was bringen. Und den ÖPNV könnte man auch ausbauen. Außerdem mehr Leihfahrräder, vor allem E-Bikes. Letzteres wäre eigentlich das ideale Fortbewegungsmittel in der Gegend. Wie rund um den See im Herbst beim Momiji aussieht, will ich gar nicht wissen, da sollte man Autos (auch die Kleinbusse der Touranbieter) komplett verbieten und nur Fahrräder und öffentliche Busse erlauben.

Otsuki

Nach dem Sightseeing bin ich mit dem Mietauto zurück nach Otsuki gefahren. Sowohl Tanken als auch den Mietwagen zurückgeben ging superfix und problemlos. So hatte ich noch fast eine Stunde, bis mein Zug zurück nach Shinjuku gibt. Zeit für ein Bier oder sogar ein Abendessen. Und siehe da: direkt am Bahnhof Otsuki gibt es ein Uotami, meine Lieblings-Izakaya-Kette, wo man mit Tablet leckere und süffige Dinge bestellen kann und diese auch flott kamen.

Alles in allem ein logistisch etwas aufwändiger, aber sehr schöner Tagesausflug! Tags drauf bleibe ich in Tokio.

Interessanterweise wurde ich nunmehr schon dreimal gefragt, ob ich Japanisch spreche, weil ich zumindest auf japanisch grüße, ja und bitte und danke sagen kann und bestimmte Phrasen wie „mantan“ (=Volltanken) kenne. Leider kann ich darauf nur mit „sukoshi“ (=ein wenig) antworten und als Gesten Daumen und Zeigefinger ganz nah beieinander halten, aber den Leuten scheint es zu gefallen.

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