The Tokyo Toilet
Meine erste Aktivität heute war eine walking tour mit guide, die „Tokyo Toilet Tour“. Nun sind die öffentlichen Toiletten Tokios zwar sehr gut, aber eigentlich keine Sehenswürdigkeit. In diesem Fall geht es aber um das Stadtentwicklungs-Projekt „The Tokyo Toilet.“ Dabei wurde mit Geld des Uniqlo-Besitzers Koji Yanai eine Reihe von öffentlichen Toiletten in Shibuya gebaut, jede einzelne von einem Star-Architekten oder -Designer erdacht und 2020-23 erbaut. Für den Unterhalt kommt allerdings die Stadt auf. Bisher werden sie immer noch dreimal am Tag gereinigt.
Das Ganze ist auch der Hintergrund des Wim Wenders Films Perfect Days, in dem es um den Toilettenputzer Hirayama geht, der die Toiletten perfektionistisch putzt und sein Leben in stiller Einfachheit mit einem sehr guten Soundtrack lebt. Tatsächlich sind das aber nicht die Toiletten zum Film, sondern der Film zu den Toiletten – einen Kinofilm von einem bekannten Regisseur drehen zu lassen, war Teil des Projekts.
Zwar sind alle Toiletten in Shibuya, aber Shibuya ist echt groß, von Harajuku bis Ebis! Auch mit Guide konnte ich nur ca. die Hälfte der Toiletten sehen und bin dabei trotz ÖPNV-Unterstützung viele Kilometer gestiefelt.
Die Toiletten, deren Ort und deren Designer findet man auch auf der Website des Projekts The Tokyo Toilet.





Die folgenden beiden Toiletten stammen vom selben Designer. Eigentlich sind sie so konzipiert, dass sie Wände aus transparentem Buntglas haben. Sobald jemand die Tür verschließt, wird das Glas undurchsichtig.
Nur funktioniert das bei kalten Temperaturen nicht so richtig und es dauert eine ganze Weile, bis das Glas opak wird. Daher wird die Funktion im Winter abgeschaltet. Außerdem sind die Dinger auch sonst anfällig: mindestens eine der jeweils drei Toiletten ist regelmäßig out of order. In Deutschland wäre das normal, in Japan ein mittlerer Skandal.


Eine der Toiletten ist unter einer massiv befahrenen Straßenbrücke:

Aber die meisten stehen in Parks oder am Straßenrand:



Alle Toiletten haben eine barrierefreie Toilette, und manche sind auch Unisex, womit die Japaner ein wenig fremdeln.

Meine Lieblingstoilette ist die im Nabshima Shoto Park, von Kengo Kuma, der sich auf das Bauen mit Holz spezialisiert hat:




Allerdings merkt man schon, dass das Holz ziemlich der Witterung ausgesetzt ist. Bleibt abzuwarten, ob die Stadt genug Geld für Wartung und Aufrechterhaltung locker macht.

Weitere Innenansichten der verschiedenen Toiletten, oft mit unfreiwilligem Selbstporträt im Spiegel:




Diese Toilette ist besonders komplex gebaut:


Und diese Toilette sieht man im Film am längsten, das ist die erste, Hirayama reinigt:


Gegenüber ist dieser für die Nachbarschaft ikonische Kinderspielplatz:

Das soll natürlich einen Oktopus darstellen (tako), darum soll das Dach der Toilette an einen Kalmar (ika) erinnern. Der Spitzname der Toilette ist daher auch „Dancing Ika“.
Auch sonst habe ich auf der Tour einige interessante architektonische Dinge gesehen:


Auch sonst gibt es allerlei Architekturprojekte in Shibuya, das sowieso in rapidem Wandel begriffen ist. Der Miyashita Park liegt unweit der berühmten Kreuzung von Shibuya und war ein ganz normaler kleiner Park. Dann wurden dort Luxus-Läden und Restaurants gebaut, aber der Park blieb erhalten, er ist nur jetzt auf dem Einkaufszentraum.




Tokyo Metropolitan Government Building
Nach der Tour war ich noch im Tokyo Metropolitan Government Building. Das ist einer der beliebtesten Aussichtspunkte der Stadt, da kostenlos (es ist quasi das „Rathaus“ der Präfektur Tokyo, zuständig für 13 Millionen Menschen). Letztes Mal war ich vor 10 Jahren hier. Die Sicht war heute super, die Fotos sind leider durch die Lichtspiegelungen nicht so toll.




Dafür nochmal zwei Bilder Fuji bei Sonnenuntergang, von meiner persönlichen Aussichtsplattform im Hotelzimmer:


Shinjuku „bei Nacht“
Abends, d.h. ab 18 Uhr, habe ich dann nochmal eine walking tour gemacht, diesmal zum Nachtleben von Shinjuku. Das hätte ich natürlich auch auf eigene Faust machen können, aber a) erzählt ein guide doch immer spannende Dinge zur Gegend und b) würde ich als einzelner Mann im Rotlichtviertel Kabukicho wahrscheinlich dauernd angehauen werden, doch in diesen oder jenen „netten“ Club zu kommen, was dann eher nervig wäre.
Treffpunkt war der Ostausgang des Bahnhofs Shinjuku. Wobei man dazu sagen sollte: Shinjuku ist nicht ein Bahnhof, sondern zehn (von verschiedenen Betreibern) und insgesamt der geschäftigste Bahnhofe der Welt, mit ca. 3,5 Millionen Passagieren täglich.
Am Ostausgang findet sich der vielleicht nicht beste, aber wahrscheinlich größte „Cat Content“ der Welt. Zwei Stockwerke hoch, das ganze Gebäude lang, hochauflösend animiert.


Aber es gibt noch andere tierische Bewohner in Shinjuku, die noch gefährlicher sind:



Erster Ziel der Tour war Omoide Yokocho „Gasse der Erinnerung“, mit dem Spitznamen „Piss Alley“. Das ist der Überrest des Nachkriegs-Shinjuku, wo es viele winzige Kneipen mit billigem Yakitori und zu wenigen Toiletten gab. Viel ist nicht mehr übrig davon, dafür ist der Geruch jetzt gut nach gebratenem Hühnchen und Bier. Die Kneipen sind klein, für 10 und weniger Leute, aber noch größer als in Golden Gai.



Danach ging es weiter nach Kabukicho, dem Rotlichtviertel. Benannt nach einem Kabuki-Theater, das geplant, aber nie gebaut wurde. Die riesige Gegend ist voll von Girls Bars, Soaplands, Love Hotels, Peep Shows, Cabaret Clubs, Host Clubs, u.v.a.m. Prostitution findet da keine statt, das wäre ja illegal (harhar!).







Seit der Pandemie sind die sog. Host Clubs extrem in Anzahl und Ausmaß gewachsen (es gab die natürlich vorher schon). Das sind Clubs, die sich an Frauen richten, wo sie sich von jungen schönen Männern den Hof machen lassen können (für den geringen Preis von teuren Drinks, Geschenken, usw.) Die Top Hosts sind wie Stars und verdienen Unmengen an Geld (wovon sicher vieles an die Besitzer der Clubs geht, die wahrscheinlich wie das meiste in Kabukicho Yakuza sind).

Aber natürlich ist nicht alles Nachtleben in Shinjuku Rotlicht. Das Golden Gai ist ein Viertel mit Dutzenden winzigen (5-6 Leute) Bars. Früher war das alles „members only“, nur der Master und eine Handvoll Stammgäste. Mittlerweile sind viele aber auch für Laufkundschaft offen – Geschäftsmodelle ändern sich.





Im Hintergrund des Schreins sieht man ein Hochhaus mit beleuchtetem Dach. Das ist ein neues Hotel, das auf den unteren Stockwerken Bühne, Bars, Restaurants, Arcade und anderes Entertainment mehr hat. Hier die Innenansicht:


Dann waren wir noch kurz in einer Gegend, wo es hauptsächlich Restaurants gibt. Für mich war da das Rakugo-Theater besonders interessant. (Rakugo ist eine extrem japanische Form des Geschichtenerzählens, mit einem strengen Kanon an traditionellen, oft komischen, Geschichten):

Wie üblich am ersten Urlaubstag habe ich mich ziemlich übernommen, was mich zusammen mit extremen Jetlag (ich schlafe nicht mehr als vier Stunden) ziemlich fertig gemacht hat. Als Abendessen kam daher nur noch Kura Sushi, ein Förderband-Sushi, wo man mit dem Tablet bestellt, in Frage – mehr geistige Leistung war nicht mehr drin.






Morgen (eigentlich heute, ich schreibe diese Zeilen am frühen Morgen) lasse ich es langsamer angehen, denke ich. Auf jeden Fall wünsche ich allen Blog-Leserinnen und -Lesern frohe Weihnachten!
Dein Blog ist mal wieder phenomenal!
So viele tolle Fotos°
Danke!